Petri Heil (V)

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Die Prüfung: Teil 5

Morgens halb 10 in Deutschland. Genauer gesagt auf den Fluren der Unteren Fischereibehörde. Es riecht nach Bohnerwachs und in der Mikrowelle aufgewärmtem Kohl. Schlag 9:30 flogen die Türen auf und die Besetzer der dahinter liegenden Zimmer strebten mit Knoppers und Tupperdose bewaffnet dem Pausenraum entgegen. Dabei passierten sie eine Schar von Prüflingen zur Ablegung der Fischerprüfung, die sich weisungsgemäß „pünktlich“ (Schriftgrad +1, fettkursivunterstrichen) vor Raum 21 im Haus der Landwirtschaftskammer eingefunden hatte.

Unter ihnen war auch Peter Heil. Seine Intervention, doch einen für Berufstätige adäquateren Termin anzubieten als „Donnerstagvormittag, 8:30 Uhr“, wurde ablehnend beschieden. Also verlegte er seinen Kundentermin möglichst weit auf den Nachmittag, da die prüfungstermineinteilende Beamtin auch nicht in der Lage war, die Dauer der Veranstaltung zu prognostizieren, und erschien in Schlips und Kragen zur Prüfung.

Den Theorieteil hatten alle Probanden mittlerweile hinter sich gebracht. Lediglich drei Prüflinge waren durch den Aufbau des Prüfungsbogens überfordert. Sie setzten trotz vorab erteilter, ausdrücklicher Erklärung durch die Prüfungsausschussvorsitzende Frau Fischermanns-Freund ihre Kreuzchen zeilen- statt spaltenweise, bekamen aber gnädigerweise eine Zusatzfrist eingeräumt, ihren Fehler zu korrigieren. Das dauerte dann ungefähr doppelt so lange.

Die anderen warteten derweil vor der Tür auf ihr Theorieergebnis und den Beginn des sogenannten praktischen Teils. Peter Heils Sitznachbar fragte ihn, ob er sich schon ein Revier ausgeguckt hätte, in dem er künftig der Angelei nachgehen würde. Er selbst hätte ja schon eines, da er –pssst– schon jahrelang schwarzangeln würde. Peter guckte ihn nur erstaunt an. An ein Revier hatte er noch nicht gedacht, was wiederum Unverständnis bei seinem Gesprächspartner hervorrief. Der wandte sich dann auch prompt seinem Nachbarn zur Rechten zu und sagte: „Also Typen, gibt’s, die hier den Angelschein wollen, die wollen gar nicht Angeln.“ Stimmt. Peter erinnerte sich plötzlich wieder an den eigentlichen Grund, warum er diese groteske Prozedur über sich ergehen ließ. Eigentlich wollte er nur mit seinem Kumpel mit der Angel am Ufer stehen und schweigend ein Höchstmaß an Übereinstimmung erzielen. Wie weiland der junge Brinkmann. (Siehe Teil 1!)

Anderthalb Stunden waren mittlerweile vergangen. Immer wenn die Tür zum Prüfungsraum aufging, gab sie den Blick frei auf einen Tisch mit Brötchen und Kaffeetassen. Schließlich muss der Ausschuss gestärkt ans Werk. Soll ja niemand durch einen Prüferfehler den Befähigungsschein zur Ausübung des Angelhandwerks erlangen.

Endlich ging es los. Alle hatten die Theorie bestanden – auch die drei Deppen. Aber statt wie erhofft in kleinen Gruppen, wurden die Probanden zu Peter Heils Missvergnügen einzeln ins Prüfungszimmer gerufen. Glücklicherweise ging es nicht nach dem Alphabet, denn Peter kam schon als Dritter dran, nachdem die ersten beiden freudestrahlend mit einem Prüfungszeugnis in der Hand wieder herauskamen.

Peter fühlte sich unbehaglich, als er in seinem geschäftsmäßigen Outfit den beiden Prüfern in Karohemd und Militärweste gegenüber stand. Obwohl unterschiedlich an Statur, einte die beiden eine Unsympathie auf den ersten Blick. Es war zu spüren, dass die beiderseitig bestand. Aber was wollte man von Typen anderes erwarten, die Kursleiter Knurrhahn als seine Kameraden bezeichnete.

Der erste, großgewachsene, auf dessen Karohemd noch die Schuppen vom letzten Fischzug schimmerten, biss noch einmal in sein Wurstbrötchen und forderte Peter kauend auf, aus einer Kiste 6 Bildtafeln zu ziehen, diese aufzudecken und die abgebildeten Fische zu benennen. Peters Hände wurden feucht. Dabei gab es keinen Grund dazu. Er konnte die Fische im Schlaf. Vorwärts, rückwärts, seitwärts von oben und von unten. Und so war es auch:

Karausche, Mühlkoppe, Hasel, Quappe, Gründling, und:

Das Moderlieschen.

Peters Lieblingsfisch! Seine Nervosität war wie weggeblasen, als er die sechs Namen souverän herunterbetete. Der schuppige Prüfer nickte, ohne seine Miene zu verziehen.

Prüfer 2 schaute nicht minder griesgrämig. Aber die Zusammenstellung der Angelruten beherrschte Peter ja aus dem FF. Kein Problem mehr. Seine Aufgabe bestand darin, eine Angelrute zum Fang von Karpfen zusammen zu stellen. Sein Gedächtnis scannte die Spalten seines Lernschemas ab. Karpfen, Spalte 4, Länge 2,10, Schnur: 5-6kg, kein Blei, kein Bissanzeiger, Blinker. Zum Landen noch den üblichen Kescher, Hakenlöser, Fischtöter und Messer.

Triumphierend schaute Peter Prüfer No. 2 in seiner über dem Bauch spannenden grünen Militärweste an.

„Sind Sie fertig?“
„Jawoll!“
„Sicher??“
„Jawoll!!“
„O.K. Durchgefallen. Rute zu kurz, Schnur zu dünn, falscher Köder. Wie wollen Sie damit ’nen Karpfen fangen? Ne, Ne, Ne.“

Peter holte tief Luft und wollte zu einer Antwort ansetzen, als ihm sein Irrtum klar wurde. Er war gedanklich in die falsche Spalte seines Lernschemas gerutscht und hat statt einer Karpfen- eine Barschrute gebaut.

Geknickt und bedröppelt schlich Peter ohne Zeugnis von dannen. Der Weg durch die Schar der Wartenden vor dem Prüfungszimmer war das reinste Spießrutenlaufen. Pure Schadenfreude, dass der Krawattenschnösel durchgefallen war, stand in den meisten Gesichtern zu lesen.

Am Abend zog sich Peter in seinen Arbeitskeller zurück. Er hatte seinen alten Plattenspieler reaktiviert und kramte nun die passenden Vinylscheiben hervor. Gerade als er „Smoke On The Water“ bis zum Anschlag aufdrehen wollte, klingelte es. Sein Freund Carsten stand vor der Tür, einen Angelhaken in der Hand, an dem zwei Flaschen Bier hingen. Peter musste grinsen. Mit einem Kopfnicken bedeutete er Carsten, herein zu kommen. Und beide hockten sich im Keller auf den Boden, tranken das Bier und legten eine Platte nach der anderen auf. – Volle Lautstärke.

Wonderous Stories – Yes
Anywhere – Grobschnitt
The Raven – The Alan Parson’s Project
Message In A Bottle – The Police
Go Your Own Way – Fleetwood Mac

Um Bierflaschen am Angelhaken im See zu kühlen, muss man NOCH keine Prüfung machen. Peter grinste erneut. Und schweigend hörten sie weiter Musik und verstanden sich.

ENDE

aber es gibt noch einen Epilog ;)

Petri Heil (Epilog)

 

was bisher geschah:

Petri Heil (IV)

Petri Heil (III)

Petri Heil (II)

Petri Heil (I)

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