Völlig unbekannt

„Bob Dylans Gesang klingt wie eine Ziege, die in eine rostige Blechbüchse pinkelt“, sagt mein Freund Keith. Und der ist eine musikalische Instanz. Er beherrschte bereits in der achten Klasse mehrere Instrumente und hatte eine eigene Band, mit der er nicht das Original von Dylans Blowin’ in the wind sondern die weichgespülte Hollies-Version coverte. Die mit diesem Rosie-Singer-artigem blow-ho-ho-ho-howing in the wind (Nanananaaa) im Refrain.

Meine Beziehung zu Bob Dylan war jedenfalls für Jahrzehnte geprägt und sein Werk ist an mir vorbeigerauscht. Ich habe einfach weitergeblättert, wenn er auftauschte. Da half auch keine Doku von Wolfgang Niedecken, der mich aus anderen Gründen nicht interessierte. Allenfalls Mr. Tambourine Man konnte ich Dylan noch zuordnen, weil ich mal einen Klampfenkurs an der Volkshochschule belegt hatte.

Und dann kam Thomas, ein begeisterter Konzertgänger und Dylan-Freund. Er hatte das Glück, den späten Dylan live zu sehen, erwischte jedoch einen Abend, an dem der Meister wenig Bock hatte und das Konzert nach einer Stunde lustlosen Vortrags beendete. Neben einer gewissen Enttäuschung sprach aber auch Verständnis für das divenhafte Verhalten aus seinem Konzertbericht.

Warum?

Der Grund für diesen Kredit erschloss sich langsam, als ich kurz darauf den Twodylans lauschte, einem Dylan-Cover-Duo, Vater und Sohn, die einen wunderbaren Querschnitt durch die mehr als 50 Dylan Alben boten. 

Fünfzig? Fünfzig! Wow! 

Mein Dylan-Bild begann sich zu drehen und wurde zum Karussell. All along the Watchtower nicht von Hendrix, Mighty Quinn nicht von Manfred Mann, Knockin‘ on Heaven‘s Door nicht von Mike Krüger – das waren nur wenige der Aha-Momente, die ich in der Folge hatte. 

Als Sahnehäubchen auf meiner Dylan-Experience entpuppte sich dann aber das Biopic mit Timothée Chalamet. Großartig! Angucken!! A Complete Unknown ist jetzt nicht mehr ganz so unbekannt und definitiv mehr als Ziegenurin in der Blechbüchse.

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