Nachtschicht

Dieses Weib hat es wieder getan!
Mit einem lasziven Lächeln winkt sie mir noch einmal spöttisch zu und verabschiedet sich mit einem theatralischen Seufzen.
Nicht ohne mir vorher noch einmal ihr göttliches und anbetungswürdiges Hinterteil zu zeigen, gehüllt in ein faszinierend rotes Negligé.
Da soll man mal nicht wuschig werden!

Und was hinterlässt sie mir von ihrem angeblich so anstrengenden Tagwerk? Einen Riesenschwarm Mücken, der sich auf all die Pilsnasen in den Biergärten stürzt, um sich hemmungslos am Blut der Säufer zu betrinken. Kaum habe ich eingestempelt, sehe ich diese sonnenverbrannten Gierschlunde nach den Moskitos schlagen.
Kein schöner Anblick, vor allem dann nicht, wenn man noch die Reste ihres betörenden Duftes in der Nase hat.
Dieses Miststück.
Arbeitet mit allen Tricks, um mich willenlos zu machen.
Alles habe ich schon versucht. Ich habe stark abgenommen und mich dekorativ in Hängemattenoptik zu ihr gesellen wollen. Ich habe mir die Haare gefärbt und bei genauerem Hinsehen entdeckt man auch meine neuen Tattoos. Doch sie erhört mich nicht.
Und ich verfalle immer wieder in den gefürchteten Jojo-Effekt, werde wieder kugelrund, so dass mich die ganzen Sternenschnuckis Nacht für Nacht auslachen und mich spüren lassen, wie schnuppe ich ihnen bin.

Aber in diesem runden Zustand finde ich durchaus Befriedigung. Ich könnte mich kaputt lachen, wie die Menschen in ihren Wohnungen umhergeistern, drohend ihre Fäuste gen Himmel ballen und mir ihren Schlafdefizit und die damit einhergehende Übellaunigkeit ankreiden wollen. Anstatt diese Ruhelosigkeit in Energie zu verwandeln, ärgern sie sich lieber. Dabei leuchte ich gerade in diesen Nächten so geheimnisvoll und zart tönend, dass ich die Menschen schöner werden lasse. Einfach so, ohne dass es ihres Zutuns bedarf. Sie könnten genialen Sex zelebrieren aufgrund der mangelnden Müdigkeit, aber sie glotzen stattdessen lieber die ganze Nacht drittklassige Fernsehshows und ich muss mir den Driess auch noch angucken.

Weil mir langweilig ist.

Mein Übergewicht lässt nicht viel Bewegung zu, also hänge ich da und glotze. Bis sich dann und wann derartig mein Antlitz verfinstert, dass mich alle da unten nur respektlos anstarren und einen Event aus meiner Depression machen.
Alles nur wegen ihr.
Ich hab versucht es ihr heimzuzahlen, indem ich mich vor ihr Licht lege und sie ihr Strahlen verliert, damit sie mich nicht mehr hypnotisieren kann. Als ich sah, dass die Menschen auch das als Anlass zur Party nehmen, hat mich das noch mehr deprimiert und ich denke jetzt ernsthaft über eine Affäre nach, die meine Laune kometenhaft ansteigen lässt.

Doch zunächst muss ich die Straßenlaternen anknipsen.
Ein sinnloser Akt in diesen lauen Sommernächten.
Bin ich denn nicht Licht genug?

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2 Gedanken zu “Nachtschicht

  1. Ha! Klasse!

    Ich mag deinen Herrn Mond! Der hat den kosmischen Durchblick.

    Nur das mit dem Sonneverfinstern, ich glaub da liegst du falsch. Meinen Informationen nach findet Mond Sonnenfinsternisse und Neumonde ziemlich peinlich.

    Äh, fällt mir gerade so ein: Ganz viele andere Völker sagen „Der Sonne“ und „Die Mond“. Glaube wir Deutschen ticken da irgendwie anders. Tät mich mal interessieren woran das liegt.

    LieGrü vom Hutmacher.

    • Wat ne süße Zeichnung plus Gedicht…ganz nach Hatter-Art….mag ich sehr!
      Ja ich weiß, wir ticken da anders. Aber man hat es eben so verinnerlicht, dass die Sonne nun mal weiblich ist. Sehr seltsam. Könnte man mal drüber rumphilosophieren. Für meine Geschichte ist es gut so, wie es eben ist.

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