
Ein Theaterbesuch
Die Bühne ist ein Puppenhaus XXL. Sechs Räume, sieben Puppen. Tsubasa hat sich auf AirBnB im Appartement oben links eingemietet. Kein Tisch, kein Stuhl, nur ein Bett. Bei Joe-San darunter kleben Eierkartons an den Wänden. Muss das Musikzimmer sein. In der Wohnung daneben irrt Tamachan durch ein Chaos aus Umzugskisten. Ein Café gibt es auch. Coworking Atmosphäre. Hajime bestellt sich hier einen Chai Latte während Motojiro nebenan auf einem Hocker in der Einbauküche hockt. Über der Küche mit roten Fronten ein Workoutraum mit Balkon. Kagekiyo kommt von ihrer Joggingrunde zurück. So wie sie auf dem Balkon nach Luft japst, war der Lauf intensiv.
Alle haben Notebooks. Alle sind im Homeoffice. Alle reden. Auf Deutsch, in english,
日本語. Miteinander, übereinander, durcheinander, gegeneinander.
Und gleichzeitig bewegen sie sich. Permanent, asynchron, ungelenk, verrenk, augsburgerpuppenartig, Moonwalk für Boomer, irreal.
Motojiro erfindet derweil noch Ryuji als Figur, der sich mit Ringlicht und Smartphone in der Szenerie materialisert und fortan mit Hajime durch die Puppenstube mäandert.
Versteht ihr mich? Du bist noch auf Mute! Ne, ich hab‘ schlechtes Netz. Der Akku ist bald alle. In welchem Karton steckt der Router? Unscharfes Bild. Irgendwas ist immer abgeschnitten. Autofokus.
Tsubasa entledigt sich seiner Hose wie in einem schlechten Witz über Zoom-Konferenzen in der Coronazeit. Seinen Laptop balanciert er auf dem Rückenliegend mit den Füßen. Kagekiyo benetzt die Wände mit Wasserdampf. Joe-San möchte sich von Scheitel bis Sohle im Videofenster sehen. Nur den richtigen Abstand zur Kamera findet er nicht. Auf der Küchentheke schlägt Motojiro einen olympiareifen Purzelbaum. Tamachan sinkt erschöpft auf die Kartons und fixiert mich dabei. Ich schockverliebe mich.
In sie, in das Stück, diese gespielte Bedürfnispyramide ohne roten Faden als Kaleidoskop der letzten Jahre. Großer Spaß. Bei Puppen und Betrachtern. Applaus, Applaus, stehend.
Der Text entstand nach dem Besuch des Theaterstücks Homeoffice von Toshiki Okada, Aufführung im dhaus vom 19.1.25 mit
• Sonja Beißwenger: Kagekiyo
• Blanka Winkler: Tamachan
• Kilian Ponert: Tsubasa
• Rainer Philippi: Joe-San
• Thomas Hauser: Motojiro
• Belendjwa Peter: Hajime
• Claudius Steffens : Ryuji
• Regie: Toshiki Okada
Foto: Programmheft dhaus