Revolution 9

Ich habe meine alte Stereoanlage reaktiviert und die alten Platten aus dem Keller gekramt. Schallplatten waren früher bei uns zu Hause heilig, auf deren Oberfläche zu fassen ein Sakrileg. Immer nur am Rand, zwischen die Handflächen und dann mit Schwung drehen. Oder die Scheibe einhändig mit dem Zeigefinger auf dem Mitteletikett balanciert und mit dem Daumen am Rand stabilisiert, um sie wieder behutsam in die Schutzhülle gleiten zu lassen. Bloß keine Verunreinigung hinterlassen, die dann als Knistern den Musikgenuss stört.

Eines Tages erfuhr Vater von einer sagenhaften Innovation. Mittels eines röhrenartigen Arms, der ganz ähnlich dem Tonabnehmer platziert wurde, benetzte eine Äthanol-haltigen Flüssigkeit während des Abspielens die schwarzen Rillen. Das ließ die Nadel auf einem hauchzarten Flüssigkeitsfilm gleiten und schuf so reinen Klang ohne Geknister – fast als ob Bach live im Wohnzimmer intoniert wurde oder die Beatles dort kratzerfrei aufspielten.

Nicht nur Innovation – Revolution!

White Album

Allerdings war das Prozedere immer etwas umständlich und der kleine Behälter mit der Flüssigkeit sehr schnell leer. Spielte man dann die LP ohne Gleitfilm ab, waren die nach dem letzten Abspielen festgetrockneten Staubpartikel umso zahlreicher vorhanden und deutlicher zu hören. Tja. Nix ist umsonst. Aber seitdem ich großer Verfechter der Glaubensrichtung bin, dass nur das Knacken und Rauschen von alten Platten ein authentisches Musikerlebnis beschert, hat das White Album der Beatles heute Riesenspaß gebracht.

Intro Revolution 9

Interessant ist, dass nachdem das erste „Number 9“ erklingt, das Rauschen aufhört und man die restlichen 8 Minuten lang „Number 9“ knackfrei hört.

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4 Gedanken zu “Revolution 9

  1. Ne, im MusicShop (Flingerstraße?) war Udo, ich hab eine Straße weiter (Bolkerstraße?) im DiscoLand neben dem Weißen Bär gearbeitet, ich glaub knapp 2 Jahre oder so, Anfang 80er. ;-) Dann bin ich nach Kaarst in den Großhandel und MusicShop/Udo war mein Kunde. Verrückte Welt.

    Schön, dass du die Seite noch pflegst. ;-)

    • Ah, ok. DiscoLand war ich weniger bis gar nicht. Aber Bolkerstraße weckt wiederum jede Menge Erinnerungen. Weniger der Weiße Bär denn das Auberge. Und natürlich Bolker9, das vor ein paar Wochen sein endgültiges Aus verkündet hat. Du merkst, ich bin mit den Jugenerinnerungen nahtlos von Platten zu Altbier geglitten. Ich sollte das mal alles aufschreiben. Noch dazu, wo du so schön motivierst. Danke dafür (:

      PS: sagen wir so, die Seite ist noch da, pflegen kann man noch mehr (;

  2. Genau so war das, und wehe irgendein Banause patschte mit den Fettfingern aufs Vinyl. Als ich damals in der Altstadt im Plattenladen gearbeitet hab, hätte ich die Kunden an der Hörtheke regelmäßig erschlagen können.

    Ich war mir damals nie sicher, ob das mit der Flüssigkeit so ne gute Idee für meine Schätze war – habs schnell wieder sein gelassen und jeden Knackser genossen. ;-)

    Ulkig dann in den 90ern, als die Hip-Hopper hörbare Kratzer in ihre Tracks sampelten – das war Heimat…

    Schön, dass es die Wunderntüte noch gibt.

    • Oh! Ein Kommentar! Wie schön (: Danke, Micha!

      Ja, dieses Flüssigkeitsdingen hat sich zu recht nicht durchgesetzt.

      Hast du in DEM Plattenladen in der Altstadt gearbeitet? Musicshop? Absolutes Muss beim Plattenkauf in der großen Stadt.

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